Manchmal muss man einfach über
den eigenen Schatten springen…
Die Kultur der Banyankore erstaunt
und befremdet uns zugleich immer wieder. Vor allem ich als Mann muss vor unsern
Schwestern wirklich voller Respekt den Hut ziehen. Was die sich Tagein Tagaus
an Anzüglichkeiten, vulgären Witzen, Sexueller Belästigung und Finger und
Händen an Plätzen wo sie nicht hingehören zur Wehr setzen müssen. ‚Primitiv‘
ist da nur der Vorname. Ganz hässlich ist die Situation, wenn eine Schwester,
sogar in Gegenwart ihres Mannes (die können Hand in Hand gehen) oder anderer
Brüder, an einer Gruppe Halbstarker vorbei gehen muss… dann fängt das Gejohle
und Gegröle schon von weitem an: „He Musungu, Musungu, My size, my size, Would
you marry me?“ („Meine Größe, meine Größe“, was sie auf das weibliche
Geschlechtsorgan beziehen).
Was war auch schon wieder die
neunte Fassette der Frucht des Geistes? Ach ja, SELBSTBEHERRSCHUNG! Also eines
kann ich euch aus eigener, tiefer Überzeugung sagen… Gewisse Männer hier machen
es mir sehr, sehr, sehr, schwer nicht zu einem totalen Rassist zu mutieren.
Deshalb ist es wichtig, sich auf
die 95% (großzügig) anderen zu konzentrieren, die noch einen Funken Anstand
besitzen. Es bewahrheitet sich nun halt doch wieder, je ungebildeter ein Volk
ist, desto primitiver ist es und desto besser ist es zu manipulieren. Die
meisten Stämme der Banyankore gehören leider genau in diese Kategorie. Viele
Menschen hier können kaum 3 Worte fließend am Stück lesen, geschweige denn
verstehen…
Doch das hindert uns nicht am Predigen. Wir finden nach wie vor
enorm viel Freude und Befriedigung in dem schönsten und lohnendsten Werk aller
Zeiten. Die Wahrheit verändert die Menschen halt komplett zum Positven. Es ist schön zu sehen, wie die banyankorestämmigen Brüder und Schwestern sich von Jehova schulen und formen liessen.
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Versammlung Mbarara English 44 Verkündiger - 1 Ältester - 3 Dienstamtgehilfen - 7 Pioniere |
Vor allem zwei unserer Studenten,
bereiten uns sehr, sehr große Freude. Wir möchten diesmal auf Joseph eingehen,
einem Pädagogikstudent aus Soroti, im Osten Ugandas. Er ist ein sehr ruhiger,
überlegter,0 junger Mann. Er kann sich sehr gut vorstellen, warum Satan in der
Bibel mit einer Schlange verglichen wird: „Die sind hinterhältig und listig“
meinte er „and very, very, very, very dangerous!“ Er selber tötete vor 6 Jahren
eine Schwarze Kobra, die zu den wohl giftigsten Schlangen der Welt zählt, was
ihm seinen traditionellen Namen einbrachte.
Joseph hat in seiner Kindheit durch
seine Verwandten sehr schlimme Dinge erlebt, die ihn heute enorm Aufwühlen, er
hat sehr starke Rachegefühle, Konzentrationsstörungen und Schlaflosigkeit. Von
Zeit zu Zeit kommen all diese Abscheulichkeiten aus ihm heraus und er kann sich
richtig entleeren… An Studium ist dann aber nicht mehr zu denken. Wir behandeln
dann speziell ermunternde und glaubensstärkende Verse aus den Psalmen, aus
Römer oder aus Jeremia. Vor zwei Wochen bat er mich, im einleitenden Gebet doch
speziell seine momentane aufgewühlte Gefühlswelt Jehovas Fürsorge
anzuvertrauen. Was den besonderes vorgefallen sei, fragte ich. „Meine
Schwägerin hat letzten Dienstag meinen Onkel vergiftet.“ …
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Joseph aus Soroti |
Der zarte, schmächtige Joseph,
trägt eine schlimme Vergangenheit und eine ebenso schlimme Gegenwart mit sich
herum. Doch das Studium mit ihm ist sagenhaft. Seine Wertschätzung und seine
Liebe zu Jehova sind so stark und bereits so ausgeprägt, dass man wirklich
sagen kann, sein Herz ist bewegt. Seit ich das Studium mit ihm vor 3 Monaten übernehmen
durfte, hat er nicht einen Sonntag in der Versammlung gefehlt. Er ist stets
vorbereitet und beteiligt sich. Am Kongress erschien er trotz strömendem Regen
beide Tag, was absolut nicht selbstverständlich ist, selbst unter getauften
Brüdern. Nun hat er sogar begonnen, die Mittwochabend Vorlesung zu schwänzen
und will nun auch dem Versammlungsbibelstudium und der Theokratischen
Predigtdienstschule (Eine Schule, die seit 1943 jeden Willigen Mann und jede
willige Frau in Rhetorik und fliesendem Lesen schult) beiwohnen.
Letzten Sonntag haben wir ihn
anlässlich des Kapitels über das Lösegeld gefragt, welches denn für ihn ein
Geschenk von großem persönlichen Wert war. Wie es so seine Art ist, nannte er
das Kind nicht beim Namen, sondern umschrieb es auf eine Weise, dass Carmen
sofort bemerkte, dass es sich um die Neue Welt Übersetzung der Heiligen Schrift
in Englisch handelte, die wir ihm geschenkt hatten. Ich hatte ihm als Widmung
Jeremia 17:7 & 8 in den Buchdeckel geschrieben. Kürzlich habe ich gesehen
dass er daneben geschrieben hat: Donated by Jehovah’s Witnesses, Mbarara.
Joseph macht uns sehr große
Freude und wir bewundern seine Fortschritte und sein Interesse sehr. Als ich
ihn kürzlich fragte, warum er ausgerechnet mit Jehovas Zeugen die Bibel
studiere und nicht mit den Anglikanern, den Born-agains oder den Baptisten,
sagte er wie aus der Kanone. „Ihr führt uns aus der Dunkelheit ins Licht. Bei
Euch wird danach gehandelt, was gepredigt wird!!“ Auf meine anschließende
Frage, wo er denn nach dem Letzen, dem 19. Kapitel stehen möchte, meinte er:
„Ich möchte mich taufen lassen“…
Solche Worte berühren uns sehr,
denn es sagen hier viele, sie möchten und sie würden dann und sie wollten
gerne, doch ihre Taten sprechen ganz eine andere Sprache. Deshalb haben wir an Joseph
so viel Freude. Ein guter Mann, mit einer guten Zukunft.
Evas
Die Schwester, die am selben
Wochenende, an dem wir ankamen in einen schweren Autounfall verwickelt war,
weilt nun wieder unter uns. Wir berichteten ja bereits von ihren schweren
Rückenverletzungen. Sie muss nun immer noch ein Korsett tragen, kann sich
deshalb kaum bücken und somit den Haushalt nicht alleine bewältigen. Deshalb
hilft ihr Carmen zweimal wöchentlich. Sie wäscht die Kleider, kocht für sie und
bringt den Haushalt in Ordnung. Etwa 4 Stunden täglich.
Das hat den Vorteil, dass Carmen
in ungeahnte Tiefen der Banyankore Kultur eintauchen kann. In diesen wenigen Tagen
hat sie sowohl kulturell, fachlich wie auch sprachlich enorm viel gelernt. Die
Nachbarn sind so überwältigt, dass eine WEISSE für eine Schwarze putzen und
waschen kommt.
Wir machen nun so einen Scherz.
Evas ist wohl die erste Afrikanerin, die eine weiße Maid beschäftig.
Die Familie ist aber sehr
dankbar, dass Carmen helfen kommt und schätzen es sehr.
Ein schwarzer Freitag
Den bis jetzt heftigsten Tag seit
wir überhaupt einen Fuß auf Ugandischen Boden setzen war diesen Freitag, den
12.4.2013.
Carmen hatte die letzten Wochen
immer wieder einen Tag hohes Fieber und anschließend einige Stunden Durchfall…
Danach normalisierte sich ihr Zustand immer wieder. Wir testeten aber immer auf
Malaria, welches aber negativ anzeigte. So auch wieder diesen Donnerstagabend.
Nach einem Arbeitstag bei Evas, aßen wir zusammen zu Abend und Carmen merkte,
dass ihr wieder unwohl wurde und das Fiber kam. Ich dachte mir dabei halt
wieder nichts schlimmes, denn wir führten es auf den abrupten Wetterwechsel
zurück unter dem viele hier zu leiden haben. (Mal 38°C und am nächsten Tag
wieder 21°C).
Also gingen wir zu Bett und
Carmen schüttelte es vor Fieberkrämpfen immer wieder heftig. Auch das war in letzter
Zeit nicht ungewöhnlich. Ich gab ihr ein Aspirin und zwei Stunden später 1g Dafalgen,
welches sie etwas beruhigte.
Am nächsten Morgen hatte sie zwar
immer noch starkes Fieber, doch wie üblich klang dies jeweils im Verlauf des
Morgens ab. Carmen war so müde und schlief tief und fest. Tee und Wasser
stellte ich bereit und gegen ihre starken Gliederschmerzen gab ich ihr 40 Tropfen
Novalgin. Dann ging Ich in den Predigtdienst.
Zufälliger Weise sagten mir zwei
meiner Bibelstudien kurzfristig ab, so dass ich um 12 Uhr nach Hause ging, um
einige Dinge zu erledigen, bis ich um 14Uhr in der Schule Unterricht geben
sollte. Doch dazu kam es erst gar nicht mehr. Zum Glück ging ich nach Hause…
Ich fand Carmen heiß glühend vor
Fieber, völlig im Delirium, Bach nass in den Bettlacken. Fiebermessung ergab
38,9°C und nach 10 Minuten 39,4 °C.
Carmen war am dehydrieren und kannte nicht einmal mehr ihren Namen und wo sie
war. Es war höchste Eisenbahn! Ich rief ein Bodaboda und wir fuhren so schnell
wie möglich zur Klinik. Zum Glück. Carmen hatte Blut im Stuhl und war völlig
ausgetrocknet. Ihr wurden intravenös 2,5Liter Natrium Chlorid verabreicht, was
mehr als einem Drittel ihres Blutvolumens entspricht. Wir hatten wirklich
Angst, dass sie sterben würde, denn ihr Zustand war sehr kritisch. Zum Glück
haben die Ärzte schnell reagiert.
Es war so schön zu sehen, dass,
kaum war Carmen hospitalisiert, bereits Schwestern erschienen und uns
besuchten. Viele Brüder riefen noch am gleichen Abend an fragten nach ihrem
Befinden. Asumpta, Carmens Freundin vom Bethel kam nach ihrer
Übersetzungsarbeit direkt in die Klinik und blieb bis zum nächsten Morgen bei
uns. Sie teilte sich mit mir die Nachtwache. Es hat uns so gerührt, wie die
Brüder und Schwestern sich so liebevoll um uns gekümmert haben.
Wir machten uns schon grosse Sorgen... Doch die Ärzte reagierten gut und schnell. Als ich sie so da liegen sah, erinnerte ich mich an ein Foto vom letzen Jahr, das etwa ähnlich aussah. |
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Wenn man krank ist, dann wünscht man sich immer am meisten wieder "Daheim" zu sein. |
Carmen hatte einen Magen-Darm
Infekt, der sich seit Wochen hinzog, doch erst am Donnerstag richtig ausbrach. Jetzt
ist sie zwar immer noch sehr schwach, doch auf dem Weg der Besserung. Wir sind
froh, dass wir uns die medizinischen Mittel leisten können und so die Best
mögliche Behandlung erhalten.
Doch auch hier zeigt sich wieder einmal mehr. Die positven Seiten überwiegen die negativen bei weitem.
Ein Land von Milch und Honig... aber auch von Filet und Hüftstücken...
Mbarara gilt in ganz Uganda als das der fruchtbarste Tiel des Landes. Eben das Land von Milch und Honig. "Milch", weil hier die Kuhirten, die Bahima, ein Unterstamm der Banyankore, leben. "Honig" weil in 35km Entfernung Busheney liegt, ein Ort, der von der Bienen und Honigzucht lebt.
Diese Woche haben wir uns z.B. ein "Tziziiri" (Sitschiiri) erstanden. Das traditionelle ugandische Tonkochgeschirr. Unten Papier und Karton, der angezündet wird. Oben Holzkohle, die langsam zu glühen beginnt. Durch den Ton wird der Verglühungsprozess verlangsamt, da Wärme absorbiert wird. Das hat zur Folge dass du enrom lange ein schöne Glut hast.
Wie wenig es doch braucht um Freude zu empfinden. |
Jetzt haben wir das Grillieren von einer ganz anderen Seite entdeckt... Hmmm! Die Fleischqualität in diesem Land übertrifft sowieso alles was wir bis anhin kannten. Die Kühe hier sind fett und prächtig und das Fleisch ist deliziös. Ich glaube, dass wir uns hier bald mit meinem Bruder Stephan, der in Argentienien dient, und seinem Fleisch messen können...
2kg feinsts, zartestes Rindsfleisch wartet darauf zerlegt zu werden. |
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Stephan Matter beim zubereiten "Mundgerechter" Stücke |
Schleichwerbung ist unbeabsichtigt... |
Über Nacht in einer feinen Marinade eingelegt, vielleicht mit Honig oder Sojasauce, scharf oder Sauer... Das Fleisch ist jeweils ein Gedicht. Wir sind schon richtige Grillmeister geworden und die Brüder lieben unsere Fleischgerichte. Bisweilen hatten wir das Empfinden, dass, wenn wir bei Brüdern zum Grillieren eingeladen waren, es sich da nicht umbedingt um ein Grillieren handelte, sondern eher um ein kollektives, kontrolliertes Fleischverbrennen!!!
Während dem Sonnenuntergang, bei einem oder zwei Bier zu zweit zu Grillieren... Ach wie schön das doch ist! |
Nachdem wir nun einige Tage „frei“
hatten. Bereiten wir uns darauf vor, ab nächster Woche wieder den gewohnten
Wochenrythmus einhalten zu können. 6 Tage Dienst, einen Tag frei (immer
Dienstag).
Wir arbeiten sicher 20 Stunden
der 35 Stunden in der Woche gemeinsam im Gebiet und führen viele Studien
gemeinsam. Das hat uns noch enger zusammengeschweißt und wir sind bessere
Bibellehrer geworden, da mein härtester Kritiker immer noch Carmen ist und ich
der ihrige…
Es hat hier einige Kontraste gegeben. Vergleiche von hier und da oder damals und jetzt. Hier noch ein Letzter... Kennt ihr den von letzen Jahr noch?
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März 2012 |
Den gibt es immer noch. Er ist etwas hineingewachsen....
März 2013 |